Stadtrat Daniel Bahrmann

Stadtrat für die SPD in Meißen

Föderalismus in Deutschland – noch aktuell?

Ich bin bekennender Sozialdemokrat und trete für unseren Sozialstaat, die soziale Marktwirtschaft und auch für unseren im Grundgesetz geregelten Föderalismus ein. Oft wird jedoch der Föderalismus in Deutschland als Last bezeichnet und der Wunsch nach Abschaffung wird vor allem aus rechtspopulistischen Kreisen laut. Dabei haben wir aus gutem Grund Bundesländer.

Das Wort „Föderalismus“ stammt vom lateinischen Wort „foedus“ ab, das „Bund“ oder „Vertrag“ bedeutet. Der Begriff entstand in der Zeit der europäischen Aufklärung im 18. Jahrhundert und wurde vor allem im Kontext der Diskussion um die Gestaltung von Staatsstrukturen verwendet.

Der Föderalismus in Deutschland ist ein zentrales Element der politischen Struktur des Landes. Das föderalistische System der Bundesrepublik Deutschland ist 1949 auf den Trümmern des zusammengebrochenen Deutschen Reiches unter alliierter Besatzungsherrschaft entstanden. Dieser föderale Ansatz sollte die Macht auf verschiedene Ebenen verteilen und so die Entstehung eines erneuten zentralistischen Staates verhindern. Die Geschichte des deutschen Föderalismus nach dem Zweiten Weltkrieg ist also eng mit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland (BRD) im Jahr 1949 verbunden. Aufgrund der Erfahrungen mit der autoritären Herrschaft des Nationalsozialismus und der Zentralisierung der Macht unter Adolf Hitler, war es ein vorrangiges Ziel der Gründungsväter der BRD, ein dezentrales System zu schaffen, das die Macht auf verschiedene politische Ebenen verteilte.

Der Föderalismus ist im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland fest verankert. Im Grundgesetz finden sich mehrere Artikel, die den föderalen Charakter Deutschlands regeln. Artikel 20 Absatz 1 des Grundgesetzes bestimmt, dass die Bundesrepublik Deutschland ein demokratischer und sozialer Bundesstaat ist. Dieser Artikel betont den föderalen Charakter der Republik und legt fest, dass die Macht auf verschiedenen Ebenen verteilt ist. Artikel 20 Absatz 2 legt fest, dass die Länder ihre Rechte in der Bundesrepublik Deutschland wahrnehmen, soweit das Grundgesetz keine andere Regelung trifft. Dies bedeutet, dass den Ländern eine grundlegende Autonomie zukommt und sie ihre eigenen Kompetenzen ausüben können, sofern das Grundgesetz keine anderen Regelungen vorsieht.

Der Föderalismus in Deutschland äußert sich vor allem in der Aufteilung der politischen Kompetenzen zwischen Bund und Ländern. Schlüsselbereiche wie Bildung, Polizei und Justiz liegen größtenteils in der Verantwortung der Länder. Der Bund hingegen ist für Bereiche wie Außenpolitik, Verteidigung und Finanzen zuständig. Dieses System fördert die Vielfalt und ermöglicht den einzelnen Ländern, ihre spezifischen Interessen und Bedürfnisse zu berücksichtigen. Ein bedeutendes Merkmal des deutschen Föderalismus ist das Prinzip der Kulturhoheit der Länder. Dies bedeutet, dass die Länder die Kontrolle über ihre kulturellen Angelegenheiten haben, einschließlich Bildung und Kulturpolitik. Dieses Prinzip spiegelt die kulturelle Vielfalt Deutschlands wider und ermöglicht es den Ländern, ihre eigene kulturelle Identität zu bewahren und zu fördern. Ein weiterer wichtiger Aspekt des deutschen Föderalismus ist der Bundesrat, in dem die Ländervertreter sitzen und an der Gesetzgebung auf Bundesebene beteiligt sind. Der Bundesrat spielt eine entscheidende Rolle bei der Gestaltung von Gesetzen und hat das Recht, Gesetzesvorhaben des Bundestages zu blockieren oder zu modifizieren. Dieser Mechanismus gewährleistet, dass die Interessen der Länder in die Bundesgesetzgebung einfließen.

Insgesamt hat der Föderalismus in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg dazu beigetragen, eine stabile und demokratische Staatsordnung zu etablieren. Er ermöglicht es den Ländern, eine aktive Rolle in der Gestaltung der politischen Agenda zu spielen und fördert die politische Teilhabe der Bürger auf regionaler Ebene. Trotz gelegentlicher Spannungen zwischen Bund und Ländern ist der Föderalismus ein wichtiger Bestandteil des deutschen politischen Systems und trägt maßgeblich zur Stabilität und Vielfalt der Bundesrepublik bei.

Ein bemerkenswertes Kapitel in der Geschichte des deutschen Föderalismus war die Neugründung der Bundesländer im Osten nach der Wiedervereinigung. Dies war ein komplexer Prozess, der die Integration der ehemaligen DDR in die bestehende Bundesrepublik erforderte. Ursprünglich gab es in der DDR 15 Bezirke, die als Verwaltungseinheiten dienten. Mit der Wiedervereinigung wurden diese Bezirke aufgelöst und die ehemaligen DDR-Gebiete wurden den bestehenden Bundesländern zugeordnet. Dies führte zur Neugründung von fünf neuen Bundesländern: Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.

Insgesamt ist der Föderalismus ein Grundpfeiler des deutschen politischen Systems. Er schafft eine ausgewogene Verteilung der Macht und ermöglicht es den Regionen, ihre eigenen Interessen zu vertreten. Der Föderalismus war und ist ein Schlüssel zum Erfolg der Bundesrepublik Deutschland und daher auch nicht als Flickenteppich zu bezeichnen. Das wird der immensen Verantwortung nicht gerecht.

Eine Neuaufteilung der Bundesländer ginge nur mit einem breiten, gesellschaftlichen Konsens und bedarf einer Grundgesetzänderung. Dazu müsste eine tatsächliche und dringende Notwendigkeit gegeben sein. Eine derart große und massive Veränderung, auch im Heimatgefühl der Menschen, ist sicherlich jetzt und auch in Zukunft kaum vorstellbar und ist auch nicht mit dem Abbau von Bürokratie zu begründen. Einer Änderung müsste eine jahrelange gesellschaftliche Diskussion vorangehen, denn dies wäre nicht „von oben herab“ durchzusetzen.

Ich sehe keine Notwendigkeit, die bestehende und funktionierende Ordnung zu ändern.

Beitragsbild: Eine mit KI erstellte Illustration.


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