Soll die SPD den mit CDU/CSU ausgehandelten Koalitionsvertrag vom 9. April 2025 abschließen?
Wie alle anderen SPD-Mitglieder steh auch ich vor der großen Frage: Ja oder Nein. Die Entscheidung fällt schwer und ist nicht eindeutig zu beantworten. Seit Tagen ringe ich mit der Stimmabgabe. Dabei ist es ein einmaliger Vorgang innerparteilicher Basisdemokratie. Denn das gibt es nur bei uns, der SPD, wo wir alle aufgerufen seid, darüber zu entscheiden, ob wir dem Koalitionsvertrag mit der CDU zustimmen oder nicht.
Nach langen Verhandlungen haben sich CDU und SPD auf einen 144-seitigen Koalitionsvertrag mit dem Titel „Verantwortung für Deutschland“ geeinigt. Die CDU hat dem Vertrag bereits zugestimmt, bei der SPD läuft noch bis zum 29. April das Mitgliedervotum, das über Annahme oder Ablehnung entscheidet. Die SPD-Spitze wirbt für ein „starkes Ja“ und hebt die erreichten Ergebnisse hervor.
Der Vertrag enthält sowohl zentrale Anliegen der Union als auch der SPD. Zu den wichtigsten SPD-Erfolgen zählen laut Parteispitze die geplanten, massiven Investitionen in die Zukunft, den sozialen Zusammenhalt und für bezahlbares Wohnen. Auch die Sicherung von Arbeitsplätzen und die Anhebung des Mindestlohns auf 15 Euro werden als positiv für den Koalitionsvertrag gewertet. Die angedeuteten Steuersenkungen für geringe und mittlere Einkommen tragen sozialdemokratische Handschrift. Die SPD konnte zentrale Wahlversprechen durchsetzen, insbesondere im Bereich Soziales und Arbeit. Der Vertrag sichert eine stabile, handlungsfähige Regierung in einer schwierigen internationalen Lage. Die SPD hat in den Verhandlungen bewiesen, dass sie Kompromisse eingehen und Verantwortung übernehmen kann. Die Alternative (Neuwahlen oder instabile Minderheitsregierung) birgt erhebliche Risiken für das Land.
Allerdings gibt es auch umstrittene Punkte, wie die Verschärfungen in der Migrations- und Sozialpolitik, die von der SPD-Jugendorganisation (Jusos) abgelehnt werden. Auch die Lockerung der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben und ein neues 500-Milliarden-Euro-Infrastrukturpaket bei der SPD für Bauchschmerzen. Die geplanten Verschärfungen in der Migrationspolitik widersprechen Grundwerten vieler SPD-Mitglieder, speziell der Jusos. Die Kompromisse im Sozialbereich gehen manchen Mitgliedern nicht weit genug. Die SPD riskiert, in einer Koalition mit der Union erneut an Profil zu verlieren.
Das Mitgliedervotum ist ein starkes Zeichen innerparteilicher Demokratie. Die Entscheidung liegt nun bei den rund 358.000 SPD-Mitgliedern, die bis zum 29. April online abstimmen können. Für eine Annahme ist eine Mehrheit der Stimmen und eine Mindestbeteiligung von 20 Prozent erforderlich.
Ob die SPD den Koalitionsvertrag abschließen soll, hängt von der individuellen Bewertung der inhaltlichen Kompromisse ab. Die Parteiführung empfiehlt die Annahme, da sie zentrale sozialdemokratische Ziele im Vertrag verankert sieht und eine stabile Regierung für notwendig hält. Kritiker bemängeln vor allem die migrationspolitischen Zugeständnisse. Die endgültige Entscheidung trifft die SPD-Basis im laufenden Mitgliedervotum, danach wissen wir mehr.